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Ratgeber

Kinder und Körperkult: Sollen sich kleine Ballerinen schon um ihr Gewicht kümmern?

17 Feb, 2023

Kinder und Körperkult: Sollen sich kleine Ballerinen schon um ihr Gewicht kümmern?

Tanzmuster trifft Angela Boeti zum Interview: Als Tanz-, Sport,- und Bewegungspädagogin und Tanz-, und Ausdruckstherapeutin ist sie die ideale Interview Partnerin zu unserem aktuellen Blog Thema. Die pädagogische Arbeit mit Kindern gehört zu Angelas Alltag ebenso, wie die Arbeit mit den dazugehörigen Eltern…

tanzmuster: Liebe Angela! Wir beschäftigen uns heute mit der Frage, inwiefern Körpergewicht im Ballett insbesondere für Kinder ein Thema sein sollte. Ich frage dich also geradeheraus: Sollen sich kleine Ballerinas um ihr Gewicht kümmern?

Angela: Allein die Frage ist ja schon provokativ! Ich habe in Tanzschulen und anderen Institutionen lange kreativen Kindertanz unterrichtet, die Kinder waren dort im Durchschnitt zweieinhalb - acht Jahre alt. Da ist völlig klar, dass die freie tänzerische Entfaltung des Kindes im Vordergrund steht. Ein Kind drückt sich durch das Schwingen und den Rhythmus aus, geht auf den Boden, macht mal ein kleines Plié; der Körper geht in Resonanz und schwingt mit. Das geht ganz spontan vom Kind aus, wenn Reize gesetzt werden…ganz natürlich.

Ich habe viel in Schulen gearbeitet, auch in Kitas. Die Freude und Lust an der Bewegung zu vermitteln, standen dort immer an allererster Stelle. Auch für die Eltern war das ein wichtiges Anliegen.

tanzmuster: Das klingt ja erstmal sehr gut! Hast du ausschließlich positive Erfahrung in diese Richtung gemacht?

Angela: Natürlich gibt es auch andere Tanzschulen. Ich habe selbst zwei Töchter und mittlerweile auch eine Enkelin. Meine Töchter waren in der derselben Tanzschule. Die Tanzpädagogin dort hat einen sehr guten Tanzunterricht gemacht, teilweise Improvisation integriert – und das war richtig super. Ansonsten hat sie aber sehr starr vermittelt, wie ein Kind sich bewegen soll, was es trägt…das war alles sehr konform. Meine Tochter trug einen schwarzen Body, meine Tochter liebte den. Sie war die einzige mit diesem schwarzen Body und sie „fiel visuell aus der Reihe“, neben all den rosa Tutus!

 

Ballett Tutu Bühne


Die Tanzpädagogin hatte da ihr eigenes Bild vom Tanzunterricht und kam noch aus einer ganz anderen Tradition. Die Übungen zeigten, wie sehr sie ein klares Bild davon hatte, wie ein Körper auszusehen hat. Bei Kindern wächst der Körper: das Becken richtet sich auf, die Wirbelsäule streckt sich noch, das Bäuchlein sieht man im Kindesalter noch mehr.  Manche Kinder haben dabei noch sehr lang ziemlich weiche und durchlässige Körper; andere Kinder verfügen früh über mehr Körperkraft.

tanzmuster: das ist ja auch sehr schon, dass jeder Mensch und jedes Kind eigen und anders ist…

Angela: Ja, auf jeden Fall. An vielen Schulen beobachte ich, dass es mittlerweile immer mehr um die Vielfalt und die Bildung von Gemeinschaft geht. Dort wird sich dann z. B. auch gefragt: erreiche ich nur Mädchen, oder auch Jungs? Erreiche ich andere Kulturen? Menschen mit Migrationshintergrund? Natürlich spielen bei solchen Fragen auch geografische Faktoren mit rein: Ist die Schule in Kreuzberg oder Charlottenburg? Wer tanzt in Neukölln, wer in Wedding?



 

tanzmuster: Das Thema Körperkult hat also in erster Linie viel mit der Lehre zu tun!

Die Lehrende Person ist stets das Vorbild, deshalb ist die Frage wichtig: was vermittelt sie?

Angela: Absolut. Kinder sollen nicht Ballett oder kreativen Kindertanz machen und Schmerzen aushalten – oder wenig essen, um dünn zu sein… Das ist das absolute Gegenteil von dem, warum Kinder tanzen wollen. Kinder mit besonderen Bedürfnissen z. B. werden da ja auch komplett ausgeschlossen. Die lehrende Person ist stets das Vorbild, deshalb ist die Frage wichtig: was vermittelt sie?

Wir haben schon beim Unterrichten und Tanzen mit Kindern eine Brille auf, wie wir uns den idealen Körper vorstellen. Gerade im klassischen Ballett werden noch viele Klischees bedient: die Mutter kauft die rosa Trikots und wünscht sich „eine kleine Prinzessin“, die verhärteten alten Bilder werden also bestätigt. Ich finde, die Begeisterung der Tanzpädagogin kann sich einfach auf die Kinder übertragen und die Freude für den Tanz kann angeregt werden.

tanzmuster: Worauf sollten Eltern bei dem Thema besonders achten?

Angela: Die Frage, die sich Eltern selber stellen können, ist: tanzt mein Kind gerne und drückt es sich in der Bewegung gerne aus: balancierend, springend, drehend, rennend, schwingend, kreisend am Boden und im Raum. Hat es Freude sich spielerisch, kreativ innerhalb einer Gruppe auszudrücken und neue tänzerische Möglichkeiten zu entdecken?

tanzmuster: Gibt es denn auch fülligere Profi-Tänzerinnen?

Angela: Im Profibereich wird jeden Tag trainiert, so dass die meisten automatisch eher schlank sind. Also an Institutionen wie der Staatsoper, selbst bei Pina Bausch, die ja das „deutsche Tanztheater“ reformiert hat…da sind alle Tänzerinnen sehr dünn. Das wurde zwar bei Pina immer so präsentiert: „Pina interessiert sich nicht, wie sie sich bewegen, sondern was sie bewegt.“ Dennoch waren alle Tänzer*innen sehr dünn.

Aber dennoch ist im Profitanz die Karriere mit 35-40 Jahren vorbei und man sieht kaum ältere, vielfältige Körper auf der Bühne. Das ist leider an den großen Häusern immer noch Realität.

Wenn du davon ausgehst, dass du mit deinem Körper bestimmte Tanzbewegungen nicht mehr tanzen kannst, ja was ist dann Tanz?


tanzmuster: Welche neuen, frischen Strömungen gibt es da?

Angela: Ah, da gibt es ziemlich tolle Gegenbewegungen. Zum Beispiel das 2015 in Berlin gegründete DANCE ON ENSEMBLE für Tänzer und Tänzerinnen über vierzig. Hier wird deutlich, dass alle gewinnen: die Tänzer, die Tanzkunst und die Gesellschaft. Wenn du davon ausgehst, dass du mit deinem Körper bestimmte Tanzbewegungen nicht mehr tanzen kannst, ja was ist dann Tanz? Dann wirken die Ausstrahlung und Darstellungskraft der lebenserfahrenen Tänzer:innen eindrücklich.

Klassisches Ballett und zeitgenössischer Tanz ist wie Leistungssport, mit vielen Essstörungen und anderen Erschöpfungszuständen wie Burnout… Nicht alle werden Solotänzerinnen oder Primaballerina. Die zeitgenössischen Companies sind da einfach anders aufgestellt. Mehr Vielfalt: mehr Kulturen, diverse Tanzrollen, keine festen Normen und Hierarchien. Geh mal in den Spielzeugladen oder auch Tanzbekleidungsläden, die Attribute der klassischen Rollenbilder sind dort absolut repräsentiert. Wo sind die anderen Hautfarben? Andere Körper? Es bedarf noch viel mehr Alternativen zu den ewig selben „blond, rosa und dünn“-Bildern. Meine Tochter schreibt gerade ihre Masterarbeit über Kinderbücher: Interkulturalität in Kinderbüchern. Da fiel mir auch wieder auf: in Ballettbüchern kommt immer derselbe Mädchentyp vor – und es sind entsprechend die immer selben Bilder.

tanzmuster: Ist das nicht auch total paradox? Einerseits repräsentiert Ballett Konformität, Perfektion und Disziplin, andererseits ist Tanz Freiheit, Ausdruck von Individualität und Kreativität!

Angela: Total. Das finde ich deshalb auch schade, wenn man dann in den Schulen Sätze hört wie: „Wenn ich dann eines Tages mal auf der Bühne stehe…“; da geht schnell die Leichtigkeit verloren, das Ergebnis steht zu sehr im Vordergrund. Das Training und der tänzerische Prozess sind eine ganz eigene Sache für sich. Das darf man auch genießen!


In meiner derzeitigen Klasse habe ich eine Frau, deren Motivation es ist, schlanker zu werden. Thema Gewicht ist bei ihr ganz groß, als erwachsene Frau. Wir haben diese Idealbilder alle noch irgendwie sehr in den Köpfen. Bei Kindern ist es so: wir haben auf jeden Fall ein großes gesundheitliches Problem mit Kindern und ihrem Gewicht… An Kitas und Schulen; welches Essen gibt es da, wie bewegen sich Kinder? Nach Corona hat man festgestellt, dass die Kinder keine Kondition mehr haben. Sie konnten sich nicht konzentrieren, hatten Bewegungsdefizite…das ist beeinträchtigend. Es muss mehr gesundes Essen und Freude an Bewegung in die Einrichtungen (wie Kitas & Schulen) kommen. Das regelmäßige Tanzen verhindert natürlich auf Dauer Übergewicht. Das ist Sport! Trauriger Fakt ist, dass Essstörungen von Tänzerinnen im Profibereich weit verbreitet sind. Auch Depression, eine ungesunde Lebensweise: Rauchen und Kaffee trinken gehörte oft dazu…letzteres war sehr üblich im Profitanz der 80er und 90er. Das hat sich mit dem Bewusstsein für die somatischen Bewegungspraktiken verändert.

Kinder wollen sich herausfordern, üben und immer weiterlernen.

tanzmuster: Ja, das Essen war echt oft schrecklich in der Schule, ich erinnere mich noch! Im Laufe unseres Gesprächs fällt mir sehr auf, wie sehr das Kind oftmals einem Idealbild der späteren Tänzerin ausgesetzt ist. Sogar einem Frauenbild aus Männerperspektive: leicht, emsig und fleißig, brav. Kinder sind ja erstmal alles andere als das. Sie wollen ausprobieren und haben ihren eigenen Kopf…


Angela: Ein guter Tanzunterricht für Kinder ist deshalb auch erstmal so aufgebaut, dass du rollst, krabbelst, balancierst und schwingst, all diese motorischen Grunderfahrungen.… Wenn ein Kind dann Lust hat, Ballett zu machen, kommt dann als nächstes die wichtige Frage: mit welcher pädagogischen und tänzerischen Haltung wird es unterrichtet? Kinder wollen sich herausfordern, üben und immer weiterlernen.

tanzmuster: Du als Pädagogin prägst junge Menschen permanent aufs Neue. Was willst du ihnen mitgeben?

Angela: Das Kind soll neugierig sein und forschen! Wir haben zum Beispiel ein Tanzprojekt mit Erst– bis Drittklässler:innen gemacht. Das Thema war: wie Verhalten sich Mädchen im Raum, wie Jungs? Die Jungs haben sich den Raum einfach genommen. Die Mädchen schienen eher gelangweilt, sogar lethargisch. Das haben wir zum Thema gemacht! Die Jungs waren kaum präsent, waren immerzu am Raufen. Das haben wir mit den Kindern besprochen und gefragt: Warm ist das hier im Tanzraum gerade so? Die Kinder hatten wundervolle Ideen und daraus haben wir mit den Kindern ein Tanztheaterstück zum Thema Fußballspielen gestaltet! Wie schießt man tänzerisch ein Tor? Wie wird trainiert? Welche Emotionen kommen vor? Welche Handlungen? Trauer, Zeitung lesen etc., alles ganz spielerisch. Hier konnten die Raum-Themen verkörpert werden. Selbstbehauptung: was heißt es, im Körper zu sein und sich viel oder wenig Raum zu nehmen! Raum, Zeit, Kraft, Rhythmus…all das fließt im Tanz zusammen.

Generell gilt natürlich auch: Nicht alle Mädchen tanzen gern und nicht alle Jungs mögen Fußball. Mädchen erfahren ganz früh, was Schönheit bedeutet: wer guckt mich an? Wie wird Mama angeguckt… Mama kümmert sich um ihr Aussehen…Subjekt und Objekt. Das prägt! Das beeinflusst von klein auf, was für Signale ich aussende: wie ich mich bewege… ist es kraftvoll, leicht oder beides? Gute Tanzpädagog:innen sind ein tolles Vorbild – und so wichtig fürs Leben!


tanzmuster: Magst du selbst noch etwas zum Thema hinzufügen?

Angela: Ich merke grad selber beim Sprechen, dass die Frage wirklich viel größer ist, als man erst denkt…da steckt so viel drin. Es gibt Tanzschulen im ganzen Land. Noch mehr in anderen Ländern… Wenn das Ziel wäre: eine große Ballerina zu werden, dann findet man oft dieselben stereotypischen Trainings und Haltungen. Wenn es in Richtung Profitanz gehen soll, hat man das echt ganz schnell. Mit sechs Jahren kann man wirklich erst anfangen, spielerisch in eine klassischere Richtung zu gehen. Beim modernen Tanz und kreativen Kindertanz geht es um einen kreativen Ausdruck. Am Ende beeinflussen die Eltern das alles total und suchen eben solche oder solche Schulen bewusst auf. Den Eltern muss das klar sein und es sollte stets im Sinne des Kindes entschieden werden.

Das Kind muss sich dort, wo es tanzt, unbedingt wohl fühlen.

tanzmuster: Was macht ein Elternteil, wenn das Kind etwas fülliger ist und nur deshalb unsicher ist, mit dem Tanzen zu beginnen?

Angela: Das Kind muss sich dort wo es tanzt, unbedingt wohl fühlen. Gute Tanzpädagog:innen kommentieren das Gewicht des Kindes niemals, das Kind muss herzlich angenommen werden, wie es ist! Man kann als Elternteil auch auf jeden Fall vorher mit der Pädagogin sprechen und das sicherstellen.

Kinder, die mehr Gewicht haben, bewegen sich sehr gern. Die Bewegungsfreude kann nicht am Gewicht festgemacht werden. Je älter das Kind wird, insbesondere dann in der Pubertät, wird es immer schwieriger…da passiert viel Abwertung und das Selbstbewusstsein wird oft fürs ganze Leben beschädigt.

Ganz wichtig ist es also, eine tolle Tanzgruppe auszuwählen. Fühlt sich das Kind in der Gruppe wohl? Wird das Kind angenommen? Fühlt es sich alleine? Wie ist es in die kleine Gemeinschaft eingebunden? Jede:r Tanzpädagog:in weiß, dass das Sozialverhalten enorm zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und das Eingebunden-sein in der Gruppe beiträgt.


tanzmuster: Es gibt also keinen Grund, ein üppigeres Kind eher im kreativen Kindertanz, statt im klassischen Ballett anzumelden…nur aufgrund der Figur?

Angela: Nein auf keinen Fall! Aber, und das ist auch ganz wichtig: das Kind muss auch beschützt werden. Wenn also in der Schule stereotype Bilder repräsentiert sind, dann ist es ggf. nicht der richtige Ort für das Kind. Das Kind soll keine Abwertung erleben.

Das wichtigste ist, wie erwähnt, die eigene Motivation als Elternteil kritisch zu hinterfragen. Ich ermögliche meinem Kind etwas! Tanzen kann so toll sein. Ein richtiges Erlebnis. Es gibt aber auch Fälle, da leidet das Kind furchtbar, weil es überhaupt nicht tanzen möchte. Es will einfach nicht… Da gibt es auch Dramen in der Umkleidekabine, die mit dem Einfühlungsvermögen der Eltern vermieden werden können. (Verweis Artikel: Ballerina wider Willen?!)

tanzmuster: Das macht absolut Sinn! Vielen Dank, liebe Angela. Wie kann man denn mit dir arbeiten?

Angela: Ich biete Dialoge in Bewegung für Eltern und Kindern an: http://tanzritual.de/

Mein Bereich ist die kindliche Bewegungsentwicklung, mit therapeutischem Blick. Was ich anbiete, sind Dialoge in Bewegung: eine Mutter kann mit ihrem Kind, zwei bis sechs Jahre alt, kommen – und im Bewegung– und Praxisraum, mit mir begleitet, mit dem Kind die Bewegungslust erfahren–Konflikte können so angegangen werden und das Kind in Körperkontakt und Bewegungsfreude kommen!

Möchten Sie mit Angela Boeti arbeiten?

Website: http://tanzritual.de/
Instagram: @tanzritual_berlin

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